Mut zum Kind ... und das mit Stoma?
Lange ist es her, dass mich dieses Thema beschäftigte. Manche von Ihnen kennen mich und meine Lebensgeschichte vielleicht, die seit 1979 vom Leben mit einem Ileostoma und seit 34 Jahren vom erfüllten Leben mit meiner Tochter geprägt ist.
Mein Name ist Susanne, ich bin inzwischen 63 Jahre und lebe bis heute glücklich mit Mann und Tochter in der Nähe von Wien. Mit 18 Jahren diagnostizierten die Ärzte eine Colitis Ulcerosa, eine chronische Darmerkrankung, die über drei Jahre in heftigen, schmerzhaften Schüben verlief und mich zu häufigen Klinikaufenthalten zwang. Hohe Cortison- und Sulfonamidgaben halfen nur zeitweise, bis ich mit 21 endlich in äußerst schlechter körperlicher Verfassung operiert wurde. Ergebnis war eine endständige zu kommen. Meinen Mann lernte ich vor der Operation kennen und er nahm mich auch danach so an wie ich war. Meine „Behinderung“ war mehr meine und nicht seine, das ist bis heute so.
Wir planten unsere bevorstehende Heirat 1980 und schmiedeten Zukunftspläne, wagten jedoch damals nicht an ein eigenes Kind zu denken. Zwar hatte ich schon mit meinem Chirurgen nach der OP über eine Schwangerschaft gesprochen und er hatte von seiner fachchirurgischen Seite aus keine Einwände. Ich blieb jedoch eher skeptisch, zog genetische Komponenten für die Entstehung meiner Grunderkrankung in Betracht und hatte auch Bedenken wegen meines negativen Blut-Rhesusfaktors. Ende 1984 wurde ich schwanger und wir waren komplett „aus dem Häuschen“.
Wir freuten uns beide sehr auf unser Kind, doch regten sich in mir auch Gefühle der Unsicherheit über die bevorstehenden Monate und die Geburt. Ich ging auf die Suche nach Fachpublikationen, Erfahrungsberichten und knüpfte Kontakte zu Frauen, die bereits mit Stoma schwanger wurden. Eine Dissertation über „Schwangerschaft bei einem Ileo- oder Colostoma“ (Edith Lohmeyer, 1982, Universität Düsseldorf) informierte mich über eventuelle Komplikationen und der Briefkontakt zu Stomaträgerinnen in Deutschland (über die Deutsche ILCO vermittelt) gaben mir mehr Sicherheit. Medizinisch wurde ich in Wien von Anfang an als Risikoschwangere betreut, denn in meinem gewählten Spital hatte man zu diesem Zeitpunkt noch wenig Erfahrung mit der Betreuung von schwangeren Stomaträgerinnen. Ab der 9. Schwangerschaftswoche ging ich zu regelmäßigen Kontrollen (Ultraschall-, Blut-, Harnuntersuchungen etc.) in die dortige gynäkologische Ambulanz und besprach mich auch mit einem Chirurgen über eventuelle Probleme rund um den immer größer werdenden Bauch.
Die ganze Schwangerschaft über ging es mir relativ gut, kaum Übelkeit, kein Erbrechen, lediglich ab der 20. Schwangerschaftswoche entwickelte sich eine parastomale Hernie (Bruch) und ein damit verbundener Darmprolaps (Vorfall des Stomas), die in den letzten Monaten vor der Geburt gelegentlich stichartige Schmerzen verursachten. Ab diesem Zeitpunkt ging ich einmal monatlich auch zur chirurgischen Begutachtung in eine Spitalsambulanz. Ich führte außerdem Buch über meinen „neuen Zustand“, notierte Gewichtszunahme (13 kg insgesamt), Bauchumfang, Stomalänge und Narbenbreite der senkrechten Bauchnaht und besuchte einmal wöchentlich die Schwangerengymnastik. Mein Mann und ich bereiteten uns nach der Lamaze-Methode (richtiges Atmen, Massieren, Entspannen...) auf eine natürliche Geburt vor, denn es deutete alles auf eine solche hin. Meine Stomaversorgung hielt dem allem stand (Basisplatte und Ileo-Ausstreifbeutel) und bei leichten wechselnden Durchfällen und Verstopfungen wurde mir zu sauren Milchprodukten geraten. Ich gönnte mir viel Ruhe, gab meine Berufstätigkeit auf, ernährte mich bewusst gesund und vermied körperliche Anstrengungen. Zu unserem errechneten Geburtstermin kam unsere Tochter dann auf natürlichem Wege mit großer Unterstützung ihres Vaters, gelassener Hebammen und beherzter Ärzte in Lainz zur Welt. Bei einem Geburtsgewicht von 4380 g (ein richtiges Schwergewicht) musste ein Vakuumextraktor mithelfen. Für den Fall eines Kaiserschnitts war mein behandelnder Chirurg abrufbereit, was mir mehr Sicherheit gab. Unser „Sonnenschein“ entwickelte sich prächtig, ich stillte sie bis zum 8. Monat, dann entschloss ich mich zu einer operativen Behebung von Prolaps und Hernie, die gut gelang. Seither habe ich diesbezüglich keine Beschwerden mehr, da ich bewusst darauf achte nicht schwer zu heben. Die ersten Jahre verbrachte ich zu Hause mit meiner Tochter, um das Leben mit Kind voll auszukosten.
Mit meiner Lebensgeschichte möchte ich denjenigen unter Ihnen Mut und Hoffnung machen, die mit einer chronischen Darmerkrankung und/oder Stoma vor der Entscheidung zum Kind stehen. Ich selbst bin eine optimistische Frau, die diese Entscheidung bis heute nie bereut hat. Unsere Tochter bereichert unser Leben in vielerlei Hinsicht und hat mich auch darin entscheidend unterstützt mich so anzunehmen, wie ich bin – denn auch ein offensichtlich nicht kompletter Bauch kann das Wunder des Lebens hervorbringen und hat aus mir eine glückliche und zufriedene Mutter gemacht. Diese Tatsache hat mein Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gestärkt und mir ganz neue Wege eröffnet.