Hier berichten junge StomaträgerInnen über Fragen wie Job, Familie, Sport, Kleidung usw. Begleite auch du uns mit deinen Anregungen und Ideen: webmaster@ilco.at
Mein Job als Entwicklungshelfer bringt einiges an Reisetätigkeit mit sich
Ich bin 36 Jahre alt, und bei mir wurde 2005 Morbus Crohn diagnostiziert, der mir seitdem mal mehr und mal weniger Probleme bereitet. Nachdem über die Jahre zahlreiche medikamentöse Therapieansätze fehlschlugen oder die Medikamente nach einiger Zeit ihre Wirkung verloren, wurde bei anhaltender Entzündung - vor allem im Dickdarm - im Frühjahr 2018 entschieden, vorübergehend ein doppelläufiges Ileostoma anzulegen, um dem Darm eine Pause zu gönnen: Mein Stoma feiert im März 2021 seinen dritten Geburtstag, und ich habe es nicht sonderlich eilig mit der Rückverlegung, obwohl das nun nach Entfernung einer Stenose im Transversum (Querdickdarm) im Herbst tatsächlich wieder ein Thema ist.
Die Entscheidung, das Stoma anlegen zu lassen, ist mir damals nicht leichtgefallen. Das Thema stand schon eine Weile im Raum, ich habe es aber auf die lange Bank geschoben. Ein Grund dafür war, dass ich mir keinen langen Ausfall von der Arbeit leisten wollte. Es war schwierig, einen Zeitpunkt zu finden, an dem ich einige Wochen am Stück fehlen konnte, ohne zu viel Arbeit liegen zu lassen oder zu viel zu verpassen. Das ist natürlich Quatsch! Die Gesundheit geht vor. Darum bin ich meinen betreuenden Ärztinnen und Ärzten dankbar, dass sie mir ein bisschen Dampf gemacht haben. Schlussendlich war es genau die richtige Entscheidung und es kam alles halb so wild, wie man sich das Leben mit Stoma vorher ausmalt.
In Zeiten der Coronavirus-Krise arbeiten viele Berufstätigevon zu Hause aus. Sie kommunizieren via E-Mail, Telefon, Telefon- oder Video-Konferenz. Auch in unseren Reihen ist eine junge Frau, die über ihre Arbeitssituation im Homeoffice berichtet.
Verfasst von Annika
Wir schreiben Mai 2020. Seit über 50 Tagen arbeite ich nun schon in Jogging-Hose. Ist das noch eine professionelle Arbeitshaltung? Wen juckts! Bis zur Videokonferenz, die für 11 Uhr angesetzt ist, werde ich mir wohl noch eine Strickjacke über das zerschlissene T-Shirt vom letzten Festival-Sommer ziehen. Das wirkt dann seriöser. Mein Chef muss ja nicht wissen, womit ich meine Zeit verbringe, wenn ich mich freitags auslogge und ins Wochenende verabschiede.
Mit körperlichen Zweifeln lässt sich prima Geld verdienen. Perfektionismus ist eine Art neue Religion, Selbstoptimierung ihr Dogma und Gesundheit ihr Glaubensbekenntnis: Hauptsache gesund!
Verfasst von Annika
Neulich bin ich in einer Bahnhofsbuchhandlung gewesen. Ich hatte eine längere Zugfahrt vor mir und wollte mir für die weite Reise mal wieder einen neuen Schmöker leisten. Ich verließ den Laden jedoch wieder, ohne etwas gekauft zu haben. Das ist ungewöhnlich für mich, denn normalerweise lese ich von Romanen, über Sachbücher bis hin zu Gebrauchsanweisungen dankbar alles, was mir in die Hände fällt. Wie es dazu kam, möchte ich heute erzählen. Schon der erste Bestseller-Verkaufstisch im Geschäft verwirrte mich zutiefst: Ketogene Diäten, Paläo-Ernährung, Veganismus; Trennkost, Schluss mit Laktose, Cholesterin, Zucker, you name it! Daneben: Fit für den Marathon in 5 Schritten, Weg mit dem Winterspeck, die Sommer-Typ-Beratung, Be your best self, Alles für die Gesundheit... Wieder ein Tisch weiter: Sei dein eigener Chef!, Strategien Mentaler Stärke, In 10 Schritten zum Erfolg…
Ich traf auf Betroffene, die wie ich, in jungen Jahren ein Stoma bekommen hatten und dennoch ihre Pläne von der Zukunft nicht aus den Augen verloren.
Verfasst von Annika
Ich habe eine Freundin, der ziemlich Vieles peinlich ist: Sie trinkt nur sehr selten und ganz wenig Alkohol in der Öffentlichkeit, aus Angst die Kontrolle zu verlieren, etwas lauter zu werden und womöglich aus reiner Spontanität etwas Ungefiltertes zu tun oder zu sagen; im Supermarkt legt sie immer wenigstens einen Apfel mit aufs Band, damit die anderen Kunden in der Schlange nicht denken, sie kaufe nur Ungesundes; Kondome, Tampons oder Toilettenpapier kauft sie nur dann, wenn gerade niemand guckt; und selbstverständlich würde sie niemals bei fremden Leuten ihr großes Geschäft verrichten, geschweige denn im Fahrstuhl pupsen. Sowas ist ihr furchtbar unangenehm. Die Leute sollen glauben, sie sei eine Art elfenartiges Zauberwesen, aus dem niemals ungesteuerte Körpergeräusche oder -gerüche dringen könnten. Ob irgendjemand ihr das wirklich abkauft – wer weiß. Ein bisschen kann ich sie sogar verstehen.