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Berichte

Hier berichten junge StomaträgerInnen über Fragen wie Job, Familie, Sport, Kleidung usw.
Begleiten Sie uns, auch mit Ihren Anregungen: webmaster@ilco.at.
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Mit körperlichen Zweifeln lässt sich prima Geld verdienen. Perfektionismus ist eine Art neue Religion, Selbstoptimierung ihr Dogma und Gesundheit ihr Glaubensbekenntnis: Hauptsache gesund!
Verfasst von Annika
Neulich bin ich in einer Bahnhofsbuchhandlung gewesen. Ich hatte eine längere Zugfahrt vor mir und wollte mir für die weite Reise mal wieder einen neuen Schmöker leisten. Ich verließ den Laden jedoch wieder, ohne etwas gekauft zu haben. Das ist ungewöhnlich für mich, denn normalerweise lese ich von Romanen, über Sachbücher bis hin zu Gebrauchsanweisungen dankbar alles, was mir in die Hände fällt. Wie es dazu kam, möchte ich heute erzählen.
Schon der erste Bestseller-Verkaufstisch im Geschäft verwirrte mich zutiefst: Ketogene Diäten, Paläo-Ernährung, Veganismus; Trennkost, Schluss mit Laktose, Cholesterin, Zucker, you name it!
Daneben: Fit für den Marathon in 5 Schritten, Weg mit dem Winterspeck, die Sommer-Typ-Beratung, Be your best self, Alles für die Gesundheit...
Wieder ein Tisch weiter: Sei dein eigener Chef!, Strategien Mentaler Stärke, In 10 Schritten zum Erfolg…
Es ist gar nicht so einfach, sich dem überall grassierenden Selbstoptimierungstrend zu entziehen. Dahinter steckt schließlich ein riesiger Markt. In der Werbung des Vorabendprogramms versuchen kerngesunde Schauspieler mit Idealkörpern uns Mittel gegen Kopfschmerzen, Falten und Sodbrennen oder für mehr Leistungsstärke und Konzentration zu verkaufen. Einen Kanal weiter hat Heidi Klum kein Foto für eine 16 jährige, die zwar schlank ist, sich nun aber attestieren lassen muss, dass sie nicht richtig laufen kann. Wenn man die Glotze ausstellt und sich an den Computer setzt, sind Facebook, Instagramm und Youtube voll von selbsternannten Life-Style Experten, die bestrebt sind mich auf den neuesten Stand in Sachen Mode, Ernährung und Sport der Saison zu bringen. Dabei werde ich das Gefühl nicht los, dass der kleinste gemeinsame Nenner dieser Selbstdarsteller wahrscheinlich der Versuch ist, durch ihre akribischen Versuche der Selbstperfektionierung der eigenen Durchschnittlichkeit zu entkommen.
Ich finde das alles ziemlich seltsam. Schließlich sind Begriffe wie Effizienz, Optimierung und Leistungssteigerung auf industrielle Maschinen zugeschnitten. Der Gesundheits-, Schönheits- und Fitness-Markt hat sie sich eigentlich bloß als Metapher ausgeliehen. Seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, dass die Prediger der großen Life-Style-Religionen diese Worte immer selbstverständlicher verwenden: Be you best self! Man or Machine?
Kerngesunde Menschen verkabeln sich mit I-Watches und Fitnesstrackern wie Schwerstkranke Patienten auf der Intensivstation. Hinter der Vermessung der eigenen Leistungsfähigkeit steckt sicher der Spaß daran, über sich hinauszuwachsen, der Reiz des Kompetitiven, wie es im Sport und in kapitalistischen Marktwirtschaften üblich ist. Hinter diesem Kick verbirgt sich dieses verlockende Suchtpotential, dem man sich nur schwer entziehen kann, dieser Wunsch, die eigene Lebensqualität durch Normierungen messbar zu machen, um den Beweis zu haben, dass das eigene Leben besser ist als – ja was eigentlich? Und was geschieht, wenn die eigene Leistungsfähigkeit den Zenit erreicht hat? Was wenn man auf der Spitze angekommen ist und nicht mehr besser, schneller, schöner, schlauer oder gesünder werden kann? Und was, wenn die anderen einen plötzlich überholen? Wo bleibt dann die Lebensqualität? Wo das Glück?
Die Grundhaltung, die ich hinter diesem Gesundheitswahn vermute, ist schlicht die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit. Doch ist es nicht absurd, aus Angst vor dem Tod auf den eigenen sterblichen Körper zu setzen? Der Versuch die eigene Lebensqualität anhand körperlicher Daten messbar zu machen, befeuert dabei die Selbstoptimierungsindustrie mit ihren Ratgebern, Beautyprodukten, Aufputschmitteln und Messinstrumenten noch weiter. Mit körperlichen Zweifeln lässt sich prima Geld verdienen. Perfektionismus ist eine Art neue Religion, Selbstoptimierung ihr Dogma und Gesundheit ihr Glaubensbekenntnis: „Hauptsache gesund!“ Und während ihre Anhänger immer fitter werden, verschiebt sich die Messlatte dessen, was als Standard gilt, immer weiter nach oben. Während die Fitnessjünger vor dem Tod und dem Altern davon rennen, werden sie also immer schneller, und am Ende – Spoiler alltert! – doch eingeholt. Vielleicht nicht mir 60, sondern mit 120 Jahren, aber es bleibt ein Rennen zwischen Hase und Igel.
Auch ich habe mich bereits mehrfach ausmessen lassen, jedoch nicht freiwillig. Noch bevor ich 20 Jahre alt war, wurde bei mir eine Colitis Ulcerosa diagnostiziert. Mit 21 bekam ich meinen ersten MS-Schub, mit 27 Sepsis und ein Illeostoma. Meine medizinischen Messergebnisse waren also meistens mehr als unterdurchschnittlich und weit entfernt vom Optimum. Wenn sich aber Lebensqualität über die Unversehrtheit und Leistungsfähigkeit eines Körpers messen lässt, müsste ich dann nicht konsequenter Weise in den letzten 10 Jahren furchtbar unglücklich gewesen sein? Wie kommt es dann, dass ich trotzdem eigentlich ganz zufrieden bin?
Viele Chronisch-Erkrankte werden das kenne: Gutgemeinte Ratschläge Dritter zu Lebensführung, Ernährung, Stressbewältigung und eigentlich allen weiteren Punkten, die ich auch in den Ratgebern in der Bahnhofsbuchhandlung hätte nachschlagen können. Auch wenn ich die gutgemeinte Geste dahinter erkennen kann, stoße ich mich oft an ihr. Was mich vor allem stört, ist der unumstößliche Gestaltungsglaube, den diese Menschen an ein planbares Leben haben. In dieser Vorstellung stoßen einem Patienten seine Krankheiten nicht einfach zu. Mit der richtigen Lebensführung sind sie sogar vermeidbar. Diese Ratgeber bewegen sich auf einem schmalen Grad zwischen hilfreichen Tipps zum Krankheitsmanagement und den Abgründen der Ursachensuche, in dessen Tiefen der Schuldvorwurf lauert: Wenn du anders gelebt hättest, wenn du an die Bibeln der Gesundheitsapostel geglaubt und danach gehandelt hättest, dann könntest du jetzt noch gesund sein.
Habe ich mich stets ausgewogen ernährt? Ausreichend bewegt? Körper, Geist und Psyche trainiert? – Sicherlich nicht. Aber meine im „gesunden Ausmaß“ gelassene Einstellung zu Gesundheitsparadigmen wird wohl schwerlich dafür verantwortlich sein, so früh chronisch erkrankt zu sein. Und auch wenn ich nicht über alles, was mir in meinem Leben widerfahren ist, furchtbar glücklich bin, bin ich sicherlich kein unglücklicher Mensch – ganz im Gegenteil. Auch gesunde Menschen fühlen sich doch meisten dann, wenn sie nach einer durchzechten Nacht mit guten Freunden, guten Getränken und guten Gesprächen mit einem Kater aufwachen, zwar krank aber glücklich. Glückliche Momente, genauso wie Krankheiten und Naturkatastrophen stoßen einem einfach zu. Manchmal kann man sie bändigen oder herbeiführen, aber verhindern kann man sie nicht. Ihre Existenz ist einfach ein Teil unserer Realität mit dem wir uns abfinden müssen. Bei solcherlei Grenzerfahrungen stößt auch menschlicher Gestaltungswille an seine Grenzen. Und meistens ist die Erfahrung menschlicher Existenz in solchen Momenten am intensivsten. Mein Stoma ist in vielerlei Hinsicht ein sichtbarer körperlicher Makel und Antithese des Optimalen. Aber die Grenzerfahrung des Krankseins hat mich mit einer riesigen Demut vor der Unberechenbarkeit meines Lebenswegs, manche nennen es Zufall, erfüllt.
Wie bereits erwähnt verließ ich die Bahnhofsbuchhandlung unverrichteter Dinge. Mittlerweile war ich zwar spät dran, aber 5 Minuten blieben mir noch. Unterwegs zum Zug kaufte ich mir also noch eine Dose Bier und ein Leberkäs-Semmel. Im Zug angekommen fand ich einen Fensterplatz mit Tisch. Als ich mich bückte, um meine Tasche unter den Sitz zu schieben, fand ich einen 5 Euro-Schein auf dem Boden. Ich hob ihn auf und gerade als ich mich setzen wollte, stellte ich fest, dass auf dem Sitzplatz neben mir mein alter Schulfreund, nenne wir ihn Fritz, saß, den ich seit Ewigkeiten nichtmehr gesehen hatte und mit dem ich für die nächsten 5 Stunden in alten Erinnerungen schwelgen konnte.
So ein Zufall! Manchmal stößt Glück einem einfach zu, ohne dass man darauf vorbereitet ist.

Ich traf auf Betroffene, die wie ich, in jungen Jahren ein Stoma bekommen hatten und dennoch ihre Pläne von der Zukunft nicht aus den Augen verloren.
Verfasst von Annika
Ich habe eine Freundin, der ziemlich Vieles peinlich ist: Sie trinkt nur sehr selten und ganz wenig Alkohol in der Öffentlichkeit, aus Angst die Kontrolle zu verlieren, etwas lauter zu werden und womöglich aus reiner Spontanität etwas Ungefiltertes zu tun oder zu sagen; im Supermarkt legt sie immer wenigstens einen Apfel mit aufs Band, damit die anderen Kunden in der Schlange nicht denken, sie kaufe nur Ungesundes; Kondome, Tampons oder Toilettenpapier kauft sie nur dann, wenn gerade niemand guckt; und selbstverständlich würde sie niemals bei fremden Leuten ihr großes Geschäft verrichten, geschweige denn im Fahrstuhl pupsen. Sowas ist ihr furchtbar unangenehm. Die Leute sollen glauben, sie sei eine Art elfenartiges Zauberwesen, aus dem niemals ungesteuerte Körpergeräusche oder -gerüche dringen könnten. Ob irgendjemand ihr das wirklich abkauft – wer weiß. Ein bisschen kann ich sie sogar verstehen.
Als ich in meinen späten Teenager-Jahren das erste Mal Blut im Stuhl hatte, habe ich ganze sechs Wochen gewartet, bis ich mich einem Arzt anvertraut habe. Auch wenn ich nach außen gerne das starke, emanzipierte und immer coole Mädchen gemimt habe, das viel zu altklug ist, um sich von Oberflächlichkeiten, Selbstoptimierungstrends und Schönheitswahn anstecken zu lassen, habe ich doch immer die schönen Mädchen im Fernsehen, den Magazinen und im Internet heimlich bewundert. Wenn solche Mädchen im Film krank werden, haben sie meistens vermeintlich unsichtbare und vor allem unriechbare Leiden, etwas was sie zu verzweifelten Kämpferinnen macht, die der Held zwar nicht retten kann, ihr am Ende aber seine unendliche, bedingungslose Liebe gesteht– aber niemals haben sie etwas, was streng riecht und sie dutzende Male am Tag auf die Toilette treibt! Begehrenswerte Mädchen haben im besten Fall überhaupt gar keinen Stuhlgang. Deshalb habe ich mich geschämt und habe verzweifelt nach Strategien gesucht, um mein Leben so zu gestalten, dass niemand etwas merkt: nicht meine Professoren an der Uni, nicht meine Rendezvous und nicht meine Freundin, die nie bei fremden Leuten zur Toilette geht. Ich wollte die Art von Normalität, die die Mädchen ohne wahrnehmbaren Stoffwechsel im Film vorlebten, sprich ein elfenartiges Wesen ohne Stuhlgang.
Als sich meine Colitis Ulcerosa verschlechterte, ich immer mehr Komplikationen entwickelte und nichts mehr half, stand irgendwann das Stoma als Ultima Ratio im Raum. Ich kannte niemanden mit Stoma. Ich weiß noch, dass mein erster Gedanke war, wie ich mich mit so einem Beutel im Sommer an den Strand legen sollte. Das war zu abwegig! So mutig würde ich niemals sein. Niemals könnte ich so die Illusion von Normalität, die des elfenartigen Zauberwesens ohne Körpergeräusche und –gerüche aufrechterhalten. Aber natürlich konnte es auch nicht weiter gehen wie bisher.
Doch nicht nur meine jugendliche Eitelkeit machte die Stomaoperation zu einer absoluten Albtraumvorstellung. Zum Kopfkino vom Strandurlaub im Bikini gesellten sich schnell ganz konkrete Zukunftsängste. Ich stellte Pläne infrage, von denen ich bis dato nicht einmal wusste, dass ich sie hatte. Nun Fragen über Fragen: Würde ich nach so einer schweren Operation mein Studium abschließen können? Würde ich arbeitsfähig sein? Was war mit Liebe? Essen? Party? Reisen? Familienplanung? Altwerden?
Bei meinem ersten Treffen mit der ILCO war ich mit großem Abstand die Jüngste. Ich kam mir dementsprechend intuitiv ziemlich deplatziert vor. Es war schwer für mich, mir vorzustellen, dass ich und die anderen Mitglieder dieser Gruppe tatsächlich Vieles gemeinsam haben könnten. Doch so unmittelbar nach der Operation war mir auch meine eigene Altersgruppe fremd. Sie und mich trennte ein recht ungewöhnlicher Erfahrungsschatz, der viel mit Krankheit und Sterblichkeit zu tun hat. Egal wie man es dreht und wendet, das ist kein Thema für Smalltalk bei WG-Partys und Openair-Rockkonzerten. Mein Bedürfnis über meine Erlebnisse auf der Intensivstation, in der Reha und mit dem Stoma zu sprechen, prallte am betretenen Schweigen meiner Gesprächspartner ab.
Aber auch bei der ILCO hielt ich mich im Hintergrund. Bis irgendwann der erste schmutzige Witz fiel: Eine Frau, die ihren Partner bei der ILCO kennen gelernt hatte, sagte, dass der Sex von Stomaträgern eigentlich noch viel aufregender sei als bei Personen ohne Stoma – Es knistere mehr!
Diese Lockerheit imponierte mir. Humor als Strategie mit der eigenen Scham besser umzugehen. Lachen als Kompensationsmechanismus, der es nicht nur einem selber sondern auch den Menschen, die einen umgeben, leichter macht, mit unbequemen Themen gelassener umzugehen. Ich erlebte die ILCO als einen geschützten Raum, in dem ich meine Zukunftsängste und Hemmungen und meine peinlichen Erlebnisse mit dem Stoma erzählen konnte, ohne mein Gegenüber zu überfordern. Ich fand Menschen, die sich Geschichten von mir anhörten, bei denen meine Freundin, der ziemlich  Vieles peinlich ist, wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen wäre. Jeder und jede Einzelne in der Gruppe teilte diese Erfahrungen, kannte die Ängste, die Herausforderungen und das Fragenkarussell aus nächster Nähe. Ich traf auf Betroffene, die wie ich, in jungen Jahren ein Stoma bekommen hatten und dennoch ihre Pläne von der Zukunft nicht aus den Augen verloren haben: Familiengründung, beruflicher Erfolg, Reisen, Neues lernen und manchmal auch ganz unvernünftige und unvorhergesehen Dinge. Und ich traf auf Betroffene, die später in ihrem Leben aus diversesten Gründen hatten operiert werden müssen und auch mit ihnen verband mich die Suche nach Strategien, um nach diesem Umbruch, seinen Alltag wiederzuentdecken. Dieses Treffen und die folgenden gaben und geben mir die Zuversicht, dass ein gelungenes Leben nicht unbedingt von dem abhängen muss, was andere vermeintlich von einem wahrnehmen oder nicht. Ich verfolge nicht mehr den Anspruch, die Illusion von mir als ein elfenartiges Zauberwesen ohne Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Manchmal fühle ich mich sogar ein bisschen befreit, dass dieser Druck, unrealistischen Idealen genügen zu müssen, für mich nicht mehr gilt.

Annika
Das erste Mal Sex mit Stoma war schon komisch –
so leben junge Menschen mit künstlichem Darmausgang

Von Katharina Alexander (ze.tt) erstellt am 27. 2. 2018
Youtuberin Hannah Witton hat keinen Dickdarm mehr. Auf Instagram zeigt sie ihre Narben.
Wie ist es, schon als junger Mensch ein Stoma zu bekommen? Zwei Betroffene berichten.

Normalerweise geht es in den Youtube-Videos von Hannah Witton um Sex, Beziehungen und Feminismus. Doch seit Anfang des Jahres ist auch ein weiteres Thema sehr präsent auf ihrem Kanal: ihr Stoma, ein künstlicher Darmausgang. Witton leidet an Colitis Ulcerosa, einer Krankheit, die genau wie Morbus Crohn zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gehört. Das Immunsystem greift dabei den Darm an, sodass die Betroffenen immer wieder an blutigen Durchfällen und Bauchschmerzen leiden. Bei Manchen treten die Symptome durchgängig auf, bei anderen verläuft die Krankheit in Schüben und lässt sich in den Phasen dazwischen mit den richtigen Medikamenten so einstellen, dass die Betroffenen uneingeschränkt ihren Alltag leben können. So war es auch bei Witton. Erst im Sommer des letzten Jahres verkündete sie in einem Video: „Ich schätze mich ziemlich glücklich, weil ich seit zehn Jahren keinen ernsthaften Schub mehr hatte.“
Kein halbes Jahr später muss sie für einen Monat ins Krankenhaus. Die Krankheit ist am Ende so aggressiv, dass ihr der Dickdarm entnommen wird. Kurz darauf postet sie ihr erstes dickdarmloses Foto aus dem Krankenhaus. „Ich habe keinen Dickdarm mehr – auf Nimmerwiedersehen!“ schreibt sie dazu.

Leben ohne Dickdarm
Wem aufgrund einer Krankheit Teile der Verdauungsorgane entfernt werden müssen, bekommt ein Stoma. So ein künstlicher Darmausgang befindet sich etwas unterhalb des Bauchnabels und sieht von außen aus wie eine große Erdbeere. Über dem Stoma wird ein Beutel befestigt, in den dann die Ausscheidungen gelangen. Oder, um es mit den Worten von Hannah Witton zu sagen: „Ich kacke jetzt in einen Beutel.“ So ein Stoma kann Leben retten. Die meisten Menschen müssen sich mit dem Thema allerdings erst beschäftigen, wenn sie 40 oder älter sind. Witton ist 26. Dass die Anzahl der Stomaträger*innen mit zunehmendem Alter stark wächst, liegt vor allem daran, dass mehr ältere Menschen von Darmkrebs betroffen sind. Nur etwa vier Prozent der 160.000 deutschen Stomapatient*innen sind unter 40. Doch gerade für junge Menschen mit Stoma ist es wichtig, sich nicht allein zu fühlen. Selbstfindung und Dating werden nicht unbedingt einfacher, wenn man mit einem Stomabeutel am Bauch herumläuft.

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hannahwitton
Health update: yesterday I had surgery. I no longer have a colon - good riddance! I am now the proud owner of a stoma and I poo into a bag 💩💩💩 on lots of morphine recovering from surgery but I’m going to be okay!!! 😄

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hannahwitton
Here’s my #ileostomy bag and my healing surgery scar. Thought I’d document what my body looks like now. It’s different but I still love it...

Dating mit Beutel
Jana, 22, ist gerade frisch verliebt. Sie hat den Typen auf einer Party kennengelernt. „Ich war geschminkt. Man hat also nicht gesehen, dass ich krank bin, nur dass ich keine Haare habe. Aber das könnte auch einfach ein Statement sein.“ Schon auf der Party erzählten sie sich viel voneinander, Jana sprach auch über ihre Krankheit und vergangene Operationen. Sie hat, genau wie Witton, Colitis Ulcerosa. Ihr Stoma trägt sie seit November, allerdings nur übergangsweise. Im Juli wird sie wieder operiert und bekommt ein Pouch, eine Art künstlichen Dickdarm, eingesetzt. Das ist einer der Gründe, weshalb Jana eigentlich gar nicht eingeplant hatte, in ihrer Zeit mit Stoma jemanden kennenzulernen. „Ich dachte mir, bis zum Sommer ist es eh wieder weg und so lange hast du einfach nichts mit jemandem.“
Ganz so einfach war das allerdings nicht. Sie versteht sich gut mit dem Mann von der Party, die beiden flirten und erzählen sich von ihrem Leben. „Das Stoma habe ich aber komplett ausgelassen. Eigentlich bin ich sehr selbstbewusst, aber in der Situation war ich plötzlich unsicher. Man weiß leider nie, wie die Leute reagieren.“ Normalerweise hat Jana kein Problem damit, über ihr Stoma zu sprechen. Bei Sexualpartnern sei das allerdings etwas anderes. Also ihm lieber gar nicht davon erzählen? Das wollte sie auch nicht. „Wenn man mit jemandem Sex hat, muss sich die andere Person ja auch darauf einstellen können.“

Über Stuhlgang spricht man nicht
Beim ersten Date über Stuhlgang zu sprechen, war nicht unbedingt das, was Jana sich erträumt hatte. Verständlich, in einer Welt, in der Frauenmagazine Tipps dazu geben, wie man es schafft, unbemerkt im Haus eines Mannes zu kacken. Auch wenn Darm mit Charme seit Ewigkeiten auf den Bestseller-Listen steht, ist es für viele Menschen immer noch unvorstellbar, jemandem ehrlich zu sagen, dass sie zu einem Treffen nicht kommen können, weil sie Durchfall haben. Kacke, das privateste Thema der Welt. Aber als Stomaträger*in lässt sich schwer erklären, was für ein Beutel einem da am Bauch klebt, ohne über Stuhlgang zu sprechen. Janas Flirt ist glücklicherweise sehr gut damit umgegangen. „Ihm sind erstmal haufenweise Witze dazu eingefallen. Dadurch wurde es schnell wieder locker.“
Das erste Mal Sex mit Stoma war für sie allerdings schon komisch. Nicht etwa, weil es eine unangenehme Reaktion von dem Mann gab: „Ich glaube, er hat es gar nicht richtig mitbekommen. Aber für mich war es schon eine Einschränkung – vor allem im Kopf.“ In einer Gesellschaft, in der auch junge Menschen, die körperlich gesund sind, ihr Äußeres ständig in Frage stellen, widerspricht ein Stomabeutel jeglicher Norm. Glücklicher Weise machen Plattformen wie Instagram und Bewegungen wie Body Positivity langsam auch all die Arten von Schönheit sichtbar, die sich jenseits von gesunden, dünnen, weißen Cis-Menschen bewegt.

Wenig Verständnis von Arbeitgeber*innen
Die Menschen, die online zu ihrer Krankheit stehen, findet sie großartig, vor allem aufgrund der Aufklärung, die dadurch erfolgt. Sie hatte schon oft mit unangenehmen Reaktionen und Unverständnis zu kämpfen: „Nur weil man jung ist, heißt das doch nicht gleich, dass man gesund ist. Es sind nicht nur Rentner, die krank sind.“ Wer nach außen fit wirkt, von dem*der verlangt die Gesellschaft auch, dass er*sie durchgängig abliefert, gut gelaunt ist und sich nicht beschwert. Zusätzlich fühlen sich viele Menschen unwohl, wenn sie sich in Gesprächen mit Themen wie Krankheiten oder Tod auseinandersetzen müssen. Das wird zur Belastung derjenigen, denen es schlecht geht. Jana sieht das ähnlich. „Es gibt Tage, die sind einfach kacke. Da helfen dann keine ‚Shit happens‚-Witze oder Ratschläge von Menschen, die selbst völlig gesund sind. Wenn du chronisch krank bist, kannst du es dir nicht leisten, jeden Tag so zu tun, als wärst du gesund. Das macht dich einfach kaputt.“ Gerade von Arbeitgeber*innen hat sie in der Vergangenheit wenig Verständnis erfahren.

Wer selber nicht krank ist, kann einfach nicht nachvollziehen,
wie es einem wirklich geht.“ – Jana

Unter dieser psychischen Belastung leiden Betroffene genauso, wie unter den körperlichen Symptomen. Mehr als ein Drittel der Menschen mit Morbus Crohn hat Depressionen. Darum ist es wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, sich mit anderen auszutauschen, die das eigene Leid nachvollziehen können. Jana ist mit vielen Menschen in Kontakt, die auch an chronischen Krankheiten leiden. „Man merkt, dass man mit solchen Menschen einfach gut über Probleme reden kann. Es ist schwierig, Menschen zu finden, mit denen das geht. Wer selber nicht krank ist, kann einfach nicht nachvollziehen, wie es einem wirklich geht. Für sowas ist das Internet genial. Ich kann mit allen Menschen auf der ganzen Welt schreiben und merke so, dass ich nicht alleine bin.“

Darum lohnt es, über Menschen wie Hannah Witton zu sprechen. Diejenigen, die mit ihren Erkrankungen offen umgehen, normalisieren dadurch lebensrettende Hilfsmittel wie Stomabeutel, zeigen die Diversität von Schönheit und klären diejenigen, die nicht selbst betroffen sind, auf. Witton selbst gibt auf ihrem Twitter-Account immer wieder Updates darüber, wie sie ihren neuen Alltag meistert. Auch sie hat damit zu kämpfen, dass man ihr von außen nicht unbedingt ansieht, wie es ihr geht und dass sie sich gerade von einer Operation erholt. Darum hat sie einen Gehstock. „Das Ding wird hoffentlich dabei helfen, dass Menschen geduldiger mit mir sind und mir ihren Platz in der Bahn geben.“
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hannahwitton
Ya girl got a walking stick! This thing will hopefully tell people to be patient & careful around me & give me a seat on the tube. I’ll be less scared of going out alone so I’m looking forward to some new independence in this recovery process!
Katharina Alexander ist in Hamburg geboren, inzwischen schreibt sie in Berlin. Ihr Masterplan für eine bessere Welt setzt auf intersektionalen Feminismus und die Erkenntnis, wie sexy Nachhaltigkeit ist. Außerdem sucht sie nach einer Möglichkeit, ihre Zimmerpflanzen langfristig am Leben zu erhalten.
Erreichbar per E-Mail unter katharina.alexander@ze.tt und via Twitter unter @Katlexander.

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