Psychosoziale Auswirkungen
einer Stomaanlage
Die Mitteilung, dass eine Stomaanlage notwendig ist, zieht den meisten Menschen
vorerst den förmlich "den Teppich unter den Beinen weg". Es ist, häufig im Doppelpack
mit einer bösartigen Erkrankung, ein schwerer Einschnitt in die Lebenssituation.
vorerst den förmlich "den Teppich unter den Beinen weg". Es ist, häufig im Doppelpack
mit einer bösartigen Erkrankung, ein schwerer Einschnitt in die Lebenssituation.
Eine Stomaanlage ist ein massiver Eingriff in die Körperintegrität der Betroffenen. Besonders die Körperbildveränderung macht den meisten Patienten sehr zu schaffen und es ist eine erhebliche Anpassungsleistung gefordert. In vielen Krankenhäusern erhalten die Menschen in dieser schwierigen Situation bereits professionelle Unterstützung und Begleitung durch speziell geschulte Pflegepersonen, sie fühlen sich umsorgt und in einem geschützten Rahmen. Die erste große Herausforderung stellt sich bei der Entlassung. Fragen, wie:
"Werde ich den Beutelwechsel zuhause gut schaffen?"
"Was wird mein Partner und meine Familie sagen?"
"Was werden die Leute reden?"
"Werde ich wieder in meinen Beruf zurückkehren können?"
"Werde ich meine Hobbys oder Sport noch ausüben können?"
tauchen auf.
Rückkehr in den Alltag
Es hängt sicher sehr stark vom körperlichen Allgemeinzustand und von der persönlichen Einstellung der Betroffenen ab, ob eine gute Integration in das Alltagsleben gelingt.
Die Menschen entwickeln verschiedene Strategien, wie sie sich schützen und sicher fühlen können. Viele Stomapatienten wählen vorerst den sozialen Rückzug, sie schränken ihre Kontakte zu Familie und Freunden ein, bis sie sich sicherer fühlen. Andere wieder wollen möglichst viel über ihre neue Situation mit dem Stoma reden, sie erzählen darüber sehr offen und suchen Gesprächspartner.
In vielen Fällen hängt es von dem sozialen Netz der Menschen ab, wie schnell sie sich an ihr verändertes Leben anpassen können. Betroffene in tragfähigen Partnerbeziehungen bewältigen diese Erschütterung meist rascher als Menschen, die sich in einer Beziehungskrise befinden oder wo diese durch die Erkrankung und das Stoma ausgelöst wird.
Bei alleine lebenden Menschen ist es günstig, wenn bereits vom Krankenhaus aus ein unterstützendes "Sicherheitsnetz", z.B. mit Hauskrankenpflege und Selbsthilfegruppe, geknüpft wird.
Auch der Wiedereinstieg in den Beruf soll gut geplant werden, leider passiert er häufig unter einem erheblichen Druck und nicht selten aus Angst vor Entlassung. Die damit verbundenen Existenzängste stellen eine zusätzliche Belastung in der Zeit nach der Operation dar.
Bei alten Menschen ist eine Stomaanlage manchmal der Grund für die Einweisung in ein Pflegeheim. Hier sind oft die Überforderung der Angehörigen und mangelnde Anleitung, Schulung und Begleitung im ambulanten Bereich eine Ursache.
Körperliche Nähe und Sexualität
Wenn die Wunden abgeheilt sind, auch die auf der Seele und die Kräfte zurückkehren, dann taucht auch wieder die Sehnsucht nach körperlicher Nähe und Sexualität auf. Die bange Frage: "Bin ich noch liebenswert und attraktiv?" beschäftigt viele Patienten. Da sich Stomaanlagen und Sexualität in der „gleichen Gegend“ abspielen, ist naheliegend, dass sich wechselweise Auswirkungen ergeben.
Die Frage ist, wollen wir „professionellen Betreuer“ diese Tatsache beiseite lassen, um nicht ein zusätzliches, womöglich zeitaufwendiges Problemfeld mit dem Patienten zu bekommen oder wagen wir es, den Raum zu schaffen, wo diese ganz intimen Nöte und Sorgen der Menschen Platz haben, auch wenn sie nicht gleich gelöst werden können.
Es bedarf meist der Nachfrage, ob Unterstützung auch in dieser sehr persönlichen Lebenssituation gewünscht wird. Nur wenige Patienten sprechen das Thema Sexualität selber an. Sexualfunktionsstörung, die oft in Zusammenhang mit Operation oder Chemo- und Strahlentherapie stehen, bedürfen einer Aufklärung und einer Information über Behandlungsmöglichkeiten.
Let's talk about Sex
Wenn wir nicht danach fragen, bekommen betroffene Menschen auch nicht die Chance, sich mit den Auswirkungen einer Stomaanlage auf den Bereich ihrer Sexualität auseinander zu setzten. Nur was wahrgenommen und angesprochen wird kann als ein oder als kein Problem definiert werden.
Die Frage „Fühlen sie sich durch ihr Stoma in ihrer Sexualität beeinträchtigt?“ steht nicht am Anfang eines Beratungs- oder Behandlungsgesprächs. Erst wenn eine gewisse Vertrauensbasis geschaffen ist, ist es möglich, Fragen die Sexualität betreffend zu stellen.
Die Angst vor Geruch oder Geräuschen ist ein Hemmschuh bei der Begegnung mit dem Partner. Hier können ermutigende Gespräche und kleine Tricks aus der Stomaambulanz eine wertvolle Ermutigung sein - z.B. Minibeutelversorgung für intime Stunden, bei den ersten Begegnungen vorher eine Nahrungspause von mindestens 4 Stunden,....
Viele Menschen in tragfähigen Partnerbeziehungen haben genügend Ressourcen, ihre vorübergehende oder bleibende Beeinträchtigung der Sexualität zu meistern. Für einige Patienten ist das einfache „sprechen darüber“ sehr entlastend, sie fühlen sich erleichtert, wenn sie hören, dass sie nicht alleine davon betroffen sind und dass es nicht ungehörig ist, wenn sie mit einem Stoma trotzdem an Sexualität denken. Andere brauchen die Ermutigung zu einem offenen Gespräch mit dem Partner.
Wieder andere Betroffene sind unsicher, wie sie überhaupt mit dem Thema Sexualität im Zusammenhang mit ihrem Stoma umgehen sollen. In diesen Fällen ist psycho- oder sexualtherapeutische Hilfe ratsam, da diese Menschen längere Zeit professionelle Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Lebensvorstellungen und –ziele benötigen. Oft brauchen sie dazu Ermutigung und eine Liste mit Adressen.
Der Hinweis, dass Sexualität mehr ist als nur Geschlechtsverkehr, kann mithelfen, dass die Menschen auch andere Dimensionen der sexuellen Begegnung, wie z.B. den sinnlichen Austausch von Zärtlichkeiten, Streicheln und Kuscheln entdecken. Menschen, die sich an die Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität nicht heranwagen oder sie auf die Seite schieben, benötigen unseren einfühlsamen Respekt, damit sie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt den Mut und die Kraft dazu finden.
Immer wenn es uns gelingt, kranke Menschen zu bestärken, sich auf den Weg zu sich selbst zu machen, Veränderungen zuzulassen und auch mutig anstehende Entscheidungen zu treffen, dann können wir ein klein wenig zu ihrem „Heil-werden“ beitragen.
Autorin: Martina Signer
DGKS, Kontinenz- und Stomaberaterin, Dipl. Sexualberaterin und Sexualpädagogin
"Werde ich den Beutelwechsel zuhause gut schaffen?"
"Was wird mein Partner und meine Familie sagen?"
"Was werden die Leute reden?"
"Werde ich wieder in meinen Beruf zurückkehren können?"
"Werde ich meine Hobbys oder Sport noch ausüben können?"
tauchen auf.
Rückkehr in den Alltag
Es hängt sicher sehr stark vom körperlichen Allgemeinzustand und von der persönlichen Einstellung der Betroffenen ab, ob eine gute Integration in das Alltagsleben gelingt.
Die Menschen entwickeln verschiedene Strategien, wie sie sich schützen und sicher fühlen können. Viele Stomapatienten wählen vorerst den sozialen Rückzug, sie schränken ihre Kontakte zu Familie und Freunden ein, bis sie sich sicherer fühlen. Andere wieder wollen möglichst viel über ihre neue Situation mit dem Stoma reden, sie erzählen darüber sehr offen und suchen Gesprächspartner.
In vielen Fällen hängt es von dem sozialen Netz der Menschen ab, wie schnell sie sich an ihr verändertes Leben anpassen können. Betroffene in tragfähigen Partnerbeziehungen bewältigen diese Erschütterung meist rascher als Menschen, die sich in einer Beziehungskrise befinden oder wo diese durch die Erkrankung und das Stoma ausgelöst wird.
Bei alleine lebenden Menschen ist es günstig, wenn bereits vom Krankenhaus aus ein unterstützendes "Sicherheitsnetz", z.B. mit Hauskrankenpflege und Selbsthilfegruppe, geknüpft wird.
Auch der Wiedereinstieg in den Beruf soll gut geplant werden, leider passiert er häufig unter einem erheblichen Druck und nicht selten aus Angst vor Entlassung. Die damit verbundenen Existenzängste stellen eine zusätzliche Belastung in der Zeit nach der Operation dar.
Bei alten Menschen ist eine Stomaanlage manchmal der Grund für die Einweisung in ein Pflegeheim. Hier sind oft die Überforderung der Angehörigen und mangelnde Anleitung, Schulung und Begleitung im ambulanten Bereich eine Ursache.
Körperliche Nähe und Sexualität
Wenn die Wunden abgeheilt sind, auch die auf der Seele und die Kräfte zurückkehren, dann taucht auch wieder die Sehnsucht nach körperlicher Nähe und Sexualität auf. Die bange Frage: "Bin ich noch liebenswert und attraktiv?" beschäftigt viele Patienten. Da sich Stomaanlagen und Sexualität in der „gleichen Gegend“ abspielen, ist naheliegend, dass sich wechselweise Auswirkungen ergeben.
Die Frage ist, wollen wir „professionellen Betreuer“ diese Tatsache beiseite lassen, um nicht ein zusätzliches, womöglich zeitaufwendiges Problemfeld mit dem Patienten zu bekommen oder wagen wir es, den Raum zu schaffen, wo diese ganz intimen Nöte und Sorgen der Menschen Platz haben, auch wenn sie nicht gleich gelöst werden können.
Es bedarf meist der Nachfrage, ob Unterstützung auch in dieser sehr persönlichen Lebenssituation gewünscht wird. Nur wenige Patienten sprechen das Thema Sexualität selber an. Sexualfunktionsstörung, die oft in Zusammenhang mit Operation oder Chemo- und Strahlentherapie stehen, bedürfen einer Aufklärung und einer Information über Behandlungsmöglichkeiten.
Let's talk about Sex
Wenn wir nicht danach fragen, bekommen betroffene Menschen auch nicht die Chance, sich mit den Auswirkungen einer Stomaanlage auf den Bereich ihrer Sexualität auseinander zu setzten. Nur was wahrgenommen und angesprochen wird kann als ein oder als kein Problem definiert werden.
Die Frage „Fühlen sie sich durch ihr Stoma in ihrer Sexualität beeinträchtigt?“ steht nicht am Anfang eines Beratungs- oder Behandlungsgesprächs. Erst wenn eine gewisse Vertrauensbasis geschaffen ist, ist es möglich, Fragen die Sexualität betreffend zu stellen.
Die Angst vor Geruch oder Geräuschen ist ein Hemmschuh bei der Begegnung mit dem Partner. Hier können ermutigende Gespräche und kleine Tricks aus der Stomaambulanz eine wertvolle Ermutigung sein - z.B. Minibeutelversorgung für intime Stunden, bei den ersten Begegnungen vorher eine Nahrungspause von mindestens 4 Stunden,....
Viele Menschen in tragfähigen Partnerbeziehungen haben genügend Ressourcen, ihre vorübergehende oder bleibende Beeinträchtigung der Sexualität zu meistern. Für einige Patienten ist das einfache „sprechen darüber“ sehr entlastend, sie fühlen sich erleichtert, wenn sie hören, dass sie nicht alleine davon betroffen sind und dass es nicht ungehörig ist, wenn sie mit einem Stoma trotzdem an Sexualität denken. Andere brauchen die Ermutigung zu einem offenen Gespräch mit dem Partner.
Wieder andere Betroffene sind unsicher, wie sie überhaupt mit dem Thema Sexualität im Zusammenhang mit ihrem Stoma umgehen sollen. In diesen Fällen ist psycho- oder sexualtherapeutische Hilfe ratsam, da diese Menschen längere Zeit professionelle Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Lebensvorstellungen und –ziele benötigen. Oft brauchen sie dazu Ermutigung und eine Liste mit Adressen.
Der Hinweis, dass Sexualität mehr ist als nur Geschlechtsverkehr, kann mithelfen, dass die Menschen auch andere Dimensionen der sexuellen Begegnung, wie z.B. den sinnlichen Austausch von Zärtlichkeiten, Streicheln und Kuscheln entdecken. Menschen, die sich an die Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität nicht heranwagen oder sie auf die Seite schieben, benötigen unseren einfühlsamen Respekt, damit sie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt den Mut und die Kraft dazu finden.
Immer wenn es uns gelingt, kranke Menschen zu bestärken, sich auf den Weg zu sich selbst zu machen, Veränderungen zuzulassen und auch mutig anstehende Entscheidungen zu treffen, dann können wir ein klein wenig zu ihrem „Heil-werden“ beitragen.
Autorin: Martina Signer
DGKS, Kontinenz- und Stomaberaterin, Dipl. Sexualberaterin und Sexualpädagogin