Reisen, Urlaub und Schwimmen mit Stoma - kein Problem!
Telefon-Interview von Susanne Deimel-Engler mit Martin Richter, mehrfacher Meister im Behinderten-Schwimmsport Herr Richter, Sie haben im November 2018 in Wien einen sehr persönlichen Vortrag mit dem Thema: „Du bewegst das Leben. Reisen, Urlaub und Schwimmen mit Stoma - kein Problem“ gehalten. Mit diesem Interview wollen wir Ihre Erfahrungen in unserem ILCO-Magazin auch einem größeren Personenkreis von Betroffenen und Interessierten zukommen lassen. |
Herr Richter, Sie sind jung, sportlich und sind in Deutschland mehrfacher Meister im Behindertenschwimmsport. Wie und wann kam es dazu, dass Sie das Stoma bekommen haben?
M.R. Ich bin jetzt 33 Jahre und habe seit 2010 ein Colostoma, bedingt durch die chronisch entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn, an der ich 4 Jahre zuvor erkrankte. Eine Fistel zwischen Harnblase und Darm machte die Stomaanlage notwendig.
Die Zeit vor und nach der Operation verlief mit vielen Komplikationen und war nicht leicht für mich. Die ersten 6 Monate nach der OP konnte ich mich, weil ich körperlich zu schwach war, nicht selbst versorgen. Bei der Stomaversorgung war ich in den ersten Wochen im Krankenhaus auf die Krankenschwestern angewiesen, zu Hause benötigte ich die Unterstützung des Pflegedienstes und von meiner Mutter.
Wie hat sich Ihr Alltag nach der Stoma-OP in Bezug Ihre Ernährung verändert?
M.R. Ich empfinde als Stomaträger kaum besondere Einschränkungen. Klar habe ich meine Ernährung etwas umgestellt. Am Anfang war ich eher trotzig, probierte Vieles aus, und das hatte eben Durchfälle zur Folge. Ich koche viel selbst, versuche Zucker zu vermeiden und ernähre mich „gesund“, mit viel Gemüse. Ich will es mir einfach „gut gehen“ lassen. Das ist auch für meine Grunderkrankung und die sportlichen Herausforderungen gut.
Welchen Einfluss hat Ihr Leben mit Stoma auf Ihre Arbeitssituation?
M.R. Infolge der Erkrankung und der Operation musste ich damals beim Studieren pausieren, beendet habe ich mein Studium dann mit Stoma. Ich bin seit 5 Jahren voll berufstätig, habe eine Bürotätigkeit und fühle mich nicht eingeschränkt. Mein Motto ist ja, dass alles machbar ist, was ich mir vornehme.
Wie wirkt sich Ihr Leben als Stomaträger auf Ihre Freundschaften und die Beziehung aus?
M.R. Als ich das Stoma bekam hatte ich noch keine fixe Partnerin. Am Anfang war es für mich schwer meine neue Situation anzunehmen, da war schon Verzweiflung und Angst sowie die Frage „Wie oute ich mich?“. Aber dann habe ich mich einfach getraut und nie Ablehnung erfahren. Ich sehe mein Stoma eigentlich nicht als Behinderung, sondern als Beeinträchtigung. Wenn ich es akzeptiere, dann akzeptieren es die Anderen auch. Meine Akzeptanz ist überhaupt die wichtigste Voraussetzung, die mich viel selbstbewusster und offener als früher gemacht hat. Ich traue mir inzwischen viel mehr zu.
Wie bestimmt das Stoma Ihre Urlaubspläne und Reisevorbereitungen?
M.R. Beim Reisen erlebe ich kaum Einschränkungen. Ich bin sehr mobil und habe unter anderem schon Brasilien und Indien bereist. Sollte es unterwegs Versorgungslecks geben, habe ich ja inzwischen die Erfahrung und Routine damit umzugehen. Bei den Vorbereitungen muss ich eben daran denken genügend Stomaversorgungen mitzunehmen und entsprechend zu lagern. Und beim Essen und der Hygiene passe ich mehr auf.
Haben Sie von einer Behindertenvereinigung, z. B. von der Stoma-Selbsthilfe Unterstützung, Beratung und Hilfestellungen erhalten?
M.R. Ich habe im Krankenhaus und auch vom Sanitätshaus anfangs keine Infos über die Selbsthilfegruppen bekommen. 2010 war das Internet ja auch noch nicht so verbreitet. Erst mit der Zeit fand ich Kontakt zu einer Gruppe der DCCV, der Deutsche Morbus Crohn - Colitis ulcerosa Vereinigung. Ich bin jedoch nicht regelmäßig mit anderen Stomaträger/innen in Kontakt.
Sie betreiben als Stomaträger Leistungssport, wie geht das?
M.R. Schon ein halbes Jahr nach der Stomaanlage konnte ich wieder moderat meinen Lieblingssport, das Schwimmen, betreiben. Von Jugend an trainierte ich viel und war als Leistungsschwimmer erfolgreich. Meine zuverlässige Stomaversorgung, die flexibel ist und sich meinen Körperbewegungen anpasst, hatte ich ja schon gefunden und erprobt. Seit 2013 nehme ich nun schon an zwei nationalen Wettkämpfen jährlich in verschiedenen Startklassen des Behinderten-Schwimmsports teil. 2014 belegte ich bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft im Schwimmen der Behinderten in Berlin als deutscher Meister über 50 und 200 Meter Rücken sowie über 50 Meter Freistil den ersten Platz. Als Stomaträger trete ich in der Startklasse für leicht eingeschränkte Behinderte. 2018 erreichte ich in Remscheid insgesamt über alle Startklassen hinweg den 2. Platz. Andere Stomaträger/innen habe ich beim Schwimmen noch nicht kennengelernt, in der Umkleide jedoch auch schon Stomabeutel gesehen.
Welche sportlichen Aktivtäten bereiten Ihnen noch Freude?
M.R. Für mich ist es wichtig auch mit meiner Beeinträchtigung aktiv zu sein und an der Gesellschaft teilzunehmen. Sportlich macht mir auch das Fahren mit meinem Tourenrad großen Spaß. Außerdem betreibe ich auch Yoga und Pilates, mache Fitness- und Athletik-Übungen. Ich erinnere mich, dass mein erstes Training nach der Stoma-OP klasse war und ich das Gefühl hatte, wieder dazu zu gehören. Beim Sport trage ich keine Stomabandage, da ich ja vorher schon sehr sportlich war.
Haben Sie als Schwimmer mit Stoma je erlebt, dass Sie nicht ein öffentliches Schwimmbecken benutzen durften?
M.R. Ich habe das noch nie erlebt, kann mir aber vorstellen, dass ein solches Verbot sehr verunsichert. Ich denke in Reha- oder Kureinrichtungen kann das vorkommen, weil Ärzte und anderes Personal nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Eine zuverlässige, dichte Stomaversorgung und eine passende Badehose oder ein Badeanzug halten ja wirklich viel aus!
Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihren Vorträgen gemacht?
M.R. Bei meinem Vortrag in Wien zum Beispiel hat mich ein Zuhörer gefragt, ob es überhaupt möglich ist mit Stoma schwimmen zu gehen. Da war ich schon sehr überrascht und konnte den Mitbetroffenen dazu ermuntern es auszuprobieren. Für uns Stomaträger/innen ist es generell sehr erleichternd, wenn wir eine Umkleide für Personen mit Einschränkungen benutzen können. Und überhaupt glaube ich, dass der persönliche Kontakt und das Gespräch weit effizienter sind als das Internet, um sich miteinander auszutauschen. So halte ich Vorträge mit Diskussionsmöglichkeit und Gruppentreffen von Betroffenen für sehr wichtig. Es macht einen großen Unterschied, ob ich den/die Mitbetroffene sehe und persönliche Fragen stellen kann.
Ich danke Ihnen, lieber Herr Richter, für Ihre Bereitschaft meine Fragen zu beantworten. Ich wünschen Ihnen weiterhin alles Gute und auch sportlich noch viele große Erfolge.
M.R. Ich bin jetzt 33 Jahre und habe seit 2010 ein Colostoma, bedingt durch die chronisch entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn, an der ich 4 Jahre zuvor erkrankte. Eine Fistel zwischen Harnblase und Darm machte die Stomaanlage notwendig.
Die Zeit vor und nach der Operation verlief mit vielen Komplikationen und war nicht leicht für mich. Die ersten 6 Monate nach der OP konnte ich mich, weil ich körperlich zu schwach war, nicht selbst versorgen. Bei der Stomaversorgung war ich in den ersten Wochen im Krankenhaus auf die Krankenschwestern angewiesen, zu Hause benötigte ich die Unterstützung des Pflegedienstes und von meiner Mutter.
Wie hat sich Ihr Alltag nach der Stoma-OP in Bezug Ihre Ernährung verändert?
M.R. Ich empfinde als Stomaträger kaum besondere Einschränkungen. Klar habe ich meine Ernährung etwas umgestellt. Am Anfang war ich eher trotzig, probierte Vieles aus, und das hatte eben Durchfälle zur Folge. Ich koche viel selbst, versuche Zucker zu vermeiden und ernähre mich „gesund“, mit viel Gemüse. Ich will es mir einfach „gut gehen“ lassen. Das ist auch für meine Grunderkrankung und die sportlichen Herausforderungen gut.
Welchen Einfluss hat Ihr Leben mit Stoma auf Ihre Arbeitssituation?
M.R. Infolge der Erkrankung und der Operation musste ich damals beim Studieren pausieren, beendet habe ich mein Studium dann mit Stoma. Ich bin seit 5 Jahren voll berufstätig, habe eine Bürotätigkeit und fühle mich nicht eingeschränkt. Mein Motto ist ja, dass alles machbar ist, was ich mir vornehme.
Wie wirkt sich Ihr Leben als Stomaträger auf Ihre Freundschaften und die Beziehung aus?
M.R. Als ich das Stoma bekam hatte ich noch keine fixe Partnerin. Am Anfang war es für mich schwer meine neue Situation anzunehmen, da war schon Verzweiflung und Angst sowie die Frage „Wie oute ich mich?“. Aber dann habe ich mich einfach getraut und nie Ablehnung erfahren. Ich sehe mein Stoma eigentlich nicht als Behinderung, sondern als Beeinträchtigung. Wenn ich es akzeptiere, dann akzeptieren es die Anderen auch. Meine Akzeptanz ist überhaupt die wichtigste Voraussetzung, die mich viel selbstbewusster und offener als früher gemacht hat. Ich traue mir inzwischen viel mehr zu.
Wie bestimmt das Stoma Ihre Urlaubspläne und Reisevorbereitungen?
M.R. Beim Reisen erlebe ich kaum Einschränkungen. Ich bin sehr mobil und habe unter anderem schon Brasilien und Indien bereist. Sollte es unterwegs Versorgungslecks geben, habe ich ja inzwischen die Erfahrung und Routine damit umzugehen. Bei den Vorbereitungen muss ich eben daran denken genügend Stomaversorgungen mitzunehmen und entsprechend zu lagern. Und beim Essen und der Hygiene passe ich mehr auf.
Haben Sie von einer Behindertenvereinigung, z. B. von der Stoma-Selbsthilfe Unterstützung, Beratung und Hilfestellungen erhalten?
M.R. Ich habe im Krankenhaus und auch vom Sanitätshaus anfangs keine Infos über die Selbsthilfegruppen bekommen. 2010 war das Internet ja auch noch nicht so verbreitet. Erst mit der Zeit fand ich Kontakt zu einer Gruppe der DCCV, der Deutsche Morbus Crohn - Colitis ulcerosa Vereinigung. Ich bin jedoch nicht regelmäßig mit anderen Stomaträger/innen in Kontakt.
Sie betreiben als Stomaträger Leistungssport, wie geht das?
M.R. Schon ein halbes Jahr nach der Stomaanlage konnte ich wieder moderat meinen Lieblingssport, das Schwimmen, betreiben. Von Jugend an trainierte ich viel und war als Leistungsschwimmer erfolgreich. Meine zuverlässige Stomaversorgung, die flexibel ist und sich meinen Körperbewegungen anpasst, hatte ich ja schon gefunden und erprobt. Seit 2013 nehme ich nun schon an zwei nationalen Wettkämpfen jährlich in verschiedenen Startklassen des Behinderten-Schwimmsports teil. 2014 belegte ich bei der Internationalen Deutschen Meisterschaft im Schwimmen der Behinderten in Berlin als deutscher Meister über 50 und 200 Meter Rücken sowie über 50 Meter Freistil den ersten Platz. Als Stomaträger trete ich in der Startklasse für leicht eingeschränkte Behinderte. 2018 erreichte ich in Remscheid insgesamt über alle Startklassen hinweg den 2. Platz. Andere Stomaträger/innen habe ich beim Schwimmen noch nicht kennengelernt, in der Umkleide jedoch auch schon Stomabeutel gesehen.
Welche sportlichen Aktivtäten bereiten Ihnen noch Freude?
M.R. Für mich ist es wichtig auch mit meiner Beeinträchtigung aktiv zu sein und an der Gesellschaft teilzunehmen. Sportlich macht mir auch das Fahren mit meinem Tourenrad großen Spaß. Außerdem betreibe ich auch Yoga und Pilates, mache Fitness- und Athletik-Übungen. Ich erinnere mich, dass mein erstes Training nach der Stoma-OP klasse war und ich das Gefühl hatte, wieder dazu zu gehören. Beim Sport trage ich keine Stomabandage, da ich ja vorher schon sehr sportlich war.
Haben Sie als Schwimmer mit Stoma je erlebt, dass Sie nicht ein öffentliches Schwimmbecken benutzen durften?
M.R. Ich habe das noch nie erlebt, kann mir aber vorstellen, dass ein solches Verbot sehr verunsichert. Ich denke in Reha- oder Kureinrichtungen kann das vorkommen, weil Ärzte und anderes Personal nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Eine zuverlässige, dichte Stomaversorgung und eine passende Badehose oder ein Badeanzug halten ja wirklich viel aus!
Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihren Vorträgen gemacht?
M.R. Bei meinem Vortrag in Wien zum Beispiel hat mich ein Zuhörer gefragt, ob es überhaupt möglich ist mit Stoma schwimmen zu gehen. Da war ich schon sehr überrascht und konnte den Mitbetroffenen dazu ermuntern es auszuprobieren. Für uns Stomaträger/innen ist es generell sehr erleichternd, wenn wir eine Umkleide für Personen mit Einschränkungen benutzen können. Und überhaupt glaube ich, dass der persönliche Kontakt und das Gespräch weit effizienter sind als das Internet, um sich miteinander auszutauschen. So halte ich Vorträge mit Diskussionsmöglichkeit und Gruppentreffen von Betroffenen für sehr wichtig. Es macht einen großen Unterschied, ob ich den/die Mitbetroffene sehe und persönliche Fragen stellen kann.
Ich danke Ihnen, lieber Herr Richter, für Ihre Bereitschaft meine Fragen zu beantworten. Ich wünschen Ihnen weiterhin alles Gute und auch sportlich noch viele große Erfolge.