Unsichtbare Behinderung:
„Du siehst doch gar nicht krank aus!“
Wenn Sie mit einer unsichtbaren Behinderung oder einer chronischen Erkrankung leben, gehören Sie einer immer größer werdenden Gruppe von Menschen an. Vielleicht waren auch Sie schon mit Unverständnis und kränkenden oder abwertenden Kommentaren konfrontiert. Dabei haben Sie erfahren, dass in unserer Gesellschaft das Bewusstsein und die Sensibilität Ihnen gegenüber noch nicht ausreichend vorhanden ist. Natürlich ist hier die Politik gefordert durch Informationskampagnen Abhilfe zu schaffen. Es wäre wünschenswert, dass sich das Gesundheitssystem Ihren Bedürfnissen besser anpasst. Doch bis es so weit sein wird, ist es der Alltag, der einen Großteil Ihrer persönlichen Ressourcen verbraucht. Vorurteile und fehlende Sensibilität können Ihr Leben erschweren und auch den Genesungsprozess beeinträchtigen. In diesem Beitrag wird kurz vorgestellt, wie das Wissen um eigene Rechte, soziale Barrieren und Diskriminierung dabei helfen kann selbstbewusster zu kommunizieren oder Kränkungen leichter zu verarbeiten.
Menschenrechte für Menschen mit chronischen Erkrankungen und unsichtbaren Behinderungen
Im Jahr 2008 hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen unterzeichnet, die im Folgenden kurz als Behindertenrechtskonvention bezeichnet wird. Damit hat sich Österreich verpflichtet auch die Rechte von Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder unsichtbaren Behinderungen umzusetzen und zu schützen.
Vorurteile sind soziale Barrieren
Viele Menschen mit chronischen Erkrankungen verstehen sich nicht als Menschen mit Behinderungen. Diese Einschätzung deckt sich mit dem sozialen Verständnis von Behinderungen der Behindertenrechtskonvention. Im Alltag sind es vor allem soziale Erfahrungen, die das Leben mit einer unsichtbaren Beeinträchtigung unnötig erschweren. In diesem Sinn sind nicht nur fehlende Rampen für rollstuhlfahrende Menschen Barrieren, sondern auch Vorurteile und fehlende Sensibilität. Das führt dazu, dass sich Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen verständlicherweise oft zurückziehen und so auch Angebote nicht in Anspruch nehmen können. Genau so wirken Vorurteile und fehlende Sensibilität als Barrieren und behindern die volle Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. So entsteht aus einer persönlichen Beeinträchtigung im Zusammenwirken mit sozialen Gegebenheiten eine Behinderung im Sinne der Behindertenrechtskonvention. Diese knüpft Behinderung nicht mehr an eine Beeinträchtigung im medizinischen Sinn, sondern an soziale Gegebenheiten, die Barrieren sind. Das bringt auch der Slogan der klassischen Behindertenbewegung auf den Punkt: „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert.“
Durch die Unterzeichnung der Behinderten-rechtskonvention hat sich Österreich verpflichtet gem. Artikel 8 Vorurteile zu beseitigen und das Bewusstsein für die Rechte der Menschen mit Beeinträchtigungen zu schärfen. Gerade die Förderung von sensibler und wertschätzender Kommunikation ist für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder unsichtbaren Behinderungen von besonderer Bedeutung. Das gilt es politisch aber auch bei persönlicher Betroffenheit einzufordern.
Behindertenanwaltschaft
Das Wissen um die eigenen Rechte kann helfen belastende Situationen neu zu verstehen und zu erklären. Denn es ist kein Wunder, dass es Menschen nicht gut geht, deren Rechte missachtet werden. Damit ist es möglich, die oft so schwer greifbare Betroffenheit, Kränkung und Trauer, die durch das Erleben von Vorurteilen und fehlender Sensibilität entsteht, besser einzuordnen und zu benennen.
Menschen mit Behinderungen, die sich unter diesen Aspekten diskriminiert fühlen, können sich an die Behindertenanwaltschaft wenden. Es ist wichtig dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, denn damit wird der dringende Handlungsbedarf dokumentiert. So tragen sie dazu bei, Problemlagen von Menschen mit unsichtbaren Behinderungen sichtbar zu machen. Die Behindertenanwaltschaft erstellt dazu jährlich einen Bericht, in dem dargelegt wird, welche Anliegen vorgetragen wurden.
Empowerment und Selbstbestimmung
Erfahrungen, in denen wir Abwertung erleben, verletzen unsere Würde und unser Selbstwertgefühl. Die erlebte Ohnmacht und Hilflosigkeit untergräbt die Fähigkeit Kontrolle über das eigene Leben wahr zu nehmen. Diese Selbstwirksamkeit ist aber ein wichtiges Element, das uns hilft gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden.
Unter dem Begriff Empowerment werden verschiedene Ansätze zusammengefasst, um derartige Erfahrungen zu benennen und zu überwinden. Diese wurden in der Behindertenbewegung in Amerika entwickelt und werden mit Selbstermächtigung übersetzt.
Es geht unter anderem darum
Partizipation
Die Behindertenrechtskonvention sieht als zentrales Element vor, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen in alle politischen Entscheidungen, die sie betreffen, frühzeitig eingebunden werden müssen. Dies auch in Österreich einzufordern und umzusetzen ist ein steiniger und langer Weg. Doch gerade im Gesundheitswesen ist noch viel an Sensibilisierung erforderlich. Dies kann am besten gelingen, wenn selbst betroffene Menschen eingeladen werden Personal zu schulen. Aktuell startet gerade eine Kampagne des Sozialministers unter dem Motto „Nichts über uns - ohne uns!“, die zum Ziel hat politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu intensivieren. Im Bereich der politischen Partizipation ist die Arbeit von Dachverbänden von enormer Bedeutung, die das Wissen, die Erfahrung und auch die Betroffenheit aus Selbsthilfegruppen weiterleiten und politische Forderungen stellen. Dafür wünsche ich weiterhin viel Kraft und Erfolg. Nachfolgend einige wertvolle Kontakte und Homepages:
Beratung bei Diskriminierungen auf Grund einer Behinderung und Schlichtungen:
Behindertenanwalt Babenbergerstraße 5/4, 1010 Wien
www.behindertenanwalt.gv.at
Telefon: 0800 80 80 16 (kostenlos)
Fax: 01-71100 DW 86 2237
E-Mail: [email protected]
Montag bis Freitag von 08.00 bis 12.00 Uhr und nach Terminvereinbarung
Informationen für Menschen mit Behinderungen:
https://www.sozialministerium.at/site/Arbeit
Mag.a Eringard Kaufmann, MSc (Supervision), Dipl. Sozialarbeiterin, jahrzehntelange Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, als Sozialarbeiterin, Geschäftsführerin und Fachbereichsleiterin in den Bereichen Interessenvertretung, Lobbying, Empowerment und Mitbestimmung in Wien, Salzburg und NÖ und als Generalsekretärin der ÖAR-Dachorganisation der Behindertenverbände.
Derzeit Leitung der Fachgruppe Soziale Arbeit mit Menschen mit Behinderungen des obds-Berufsverband der Sozialen Arbeit www.sozialarbeit.at .
Selbständig als Supervisorin und Coach mit Schwerpunkten auf Empowerment und Inklusion www.eringard.com
Lehrbeauftragte an der FH Oberösterreich
Engagement für Frauen mit Behinderungen und „Unsichtbare Behinderungen“ (siehe gleichnamige Facebookseite)
Kontakt: [email protected]
Im Jahr 2008 hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen unterzeichnet, die im Folgenden kurz als Behindertenrechtskonvention bezeichnet wird. Damit hat sich Österreich verpflichtet auch die Rechte von Menschen mit chronischen Erkrankungen und/oder unsichtbaren Behinderungen umzusetzen und zu schützen.
Vorurteile sind soziale Barrieren
Viele Menschen mit chronischen Erkrankungen verstehen sich nicht als Menschen mit Behinderungen. Diese Einschätzung deckt sich mit dem sozialen Verständnis von Behinderungen der Behindertenrechtskonvention. Im Alltag sind es vor allem soziale Erfahrungen, die das Leben mit einer unsichtbaren Beeinträchtigung unnötig erschweren. In diesem Sinn sind nicht nur fehlende Rampen für rollstuhlfahrende Menschen Barrieren, sondern auch Vorurteile und fehlende Sensibilität. Das führt dazu, dass sich Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen verständlicherweise oft zurückziehen und so auch Angebote nicht in Anspruch nehmen können. Genau so wirken Vorurteile und fehlende Sensibilität als Barrieren und behindern die volle Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. So entsteht aus einer persönlichen Beeinträchtigung im Zusammenwirken mit sozialen Gegebenheiten eine Behinderung im Sinne der Behindertenrechtskonvention. Diese knüpft Behinderung nicht mehr an eine Beeinträchtigung im medizinischen Sinn, sondern an soziale Gegebenheiten, die Barrieren sind. Das bringt auch der Slogan der klassischen Behindertenbewegung auf den Punkt: „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert.“
Durch die Unterzeichnung der Behinderten-rechtskonvention hat sich Österreich verpflichtet gem. Artikel 8 Vorurteile zu beseitigen und das Bewusstsein für die Rechte der Menschen mit Beeinträchtigungen zu schärfen. Gerade die Förderung von sensibler und wertschätzender Kommunikation ist für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder unsichtbaren Behinderungen von besonderer Bedeutung. Das gilt es politisch aber auch bei persönlicher Betroffenheit einzufordern.
Behindertenanwaltschaft
Das Wissen um die eigenen Rechte kann helfen belastende Situationen neu zu verstehen und zu erklären. Denn es ist kein Wunder, dass es Menschen nicht gut geht, deren Rechte missachtet werden. Damit ist es möglich, die oft so schwer greifbare Betroffenheit, Kränkung und Trauer, die durch das Erleben von Vorurteilen und fehlender Sensibilität entsteht, besser einzuordnen und zu benennen.
Menschen mit Behinderungen, die sich unter diesen Aspekten diskriminiert fühlen, können sich an die Behindertenanwaltschaft wenden. Es ist wichtig dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, denn damit wird der dringende Handlungsbedarf dokumentiert. So tragen sie dazu bei, Problemlagen von Menschen mit unsichtbaren Behinderungen sichtbar zu machen. Die Behindertenanwaltschaft erstellt dazu jährlich einen Bericht, in dem dargelegt wird, welche Anliegen vorgetragen wurden.
Empowerment und Selbstbestimmung
Erfahrungen, in denen wir Abwertung erleben, verletzen unsere Würde und unser Selbstwertgefühl. Die erlebte Ohnmacht und Hilflosigkeit untergräbt die Fähigkeit Kontrolle über das eigene Leben wahr zu nehmen. Diese Selbstwirksamkeit ist aber ein wichtiges Element, das uns hilft gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden.
Unter dem Begriff Empowerment werden verschiedene Ansätze zusammengefasst, um derartige Erfahrungen zu benennen und zu überwinden. Diese wurden in der Behindertenbewegung in Amerika entwickelt und werden mit Selbstermächtigung übersetzt.
Es geht unter anderem darum
- das Bewusstsein für die eigene Würde wieder herzustellen,
- unterstützt durch ebenfalls betroffene Menschen, die verletzenden Erfahrungen neu aus der eigenen Perspektive einzuordnen,
- neue Handlungsperspektiven zu entwickeln und zu erproben,
- Selbstvertrauen aufzubauen und
- mehr Kraft zu haben, wenn es darum geht „nein“ zu sagen oder sich selbst zu behaupten.
Partizipation
Die Behindertenrechtskonvention sieht als zentrales Element vor, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderungen in alle politischen Entscheidungen, die sie betreffen, frühzeitig eingebunden werden müssen. Dies auch in Österreich einzufordern und umzusetzen ist ein steiniger und langer Weg. Doch gerade im Gesundheitswesen ist noch viel an Sensibilisierung erforderlich. Dies kann am besten gelingen, wenn selbst betroffene Menschen eingeladen werden Personal zu schulen. Aktuell startet gerade eine Kampagne des Sozialministers unter dem Motto „Nichts über uns - ohne uns!“, die zum Ziel hat politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu intensivieren. Im Bereich der politischen Partizipation ist die Arbeit von Dachverbänden von enormer Bedeutung, die das Wissen, die Erfahrung und auch die Betroffenheit aus Selbsthilfegruppen weiterleiten und politische Forderungen stellen. Dafür wünsche ich weiterhin viel Kraft und Erfolg. Nachfolgend einige wertvolle Kontakte und Homepages:
Beratung bei Diskriminierungen auf Grund einer Behinderung und Schlichtungen:
Behindertenanwalt Babenbergerstraße 5/4, 1010 Wien
www.behindertenanwalt.gv.at
Telefon: 0800 80 80 16 (kostenlos)
Fax: 01-71100 DW 86 2237
E-Mail: [email protected]
Montag bis Freitag von 08.00 bis 12.00 Uhr und nach Terminvereinbarung
Informationen für Menschen mit Behinderungen:
https://www.sozialministerium.at/site/Arbeit
Mag.a Eringard Kaufmann, MSc (Supervision), Dipl. Sozialarbeiterin, jahrzehntelange Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, als Sozialarbeiterin, Geschäftsführerin und Fachbereichsleiterin in den Bereichen Interessenvertretung, Lobbying, Empowerment und Mitbestimmung in Wien, Salzburg und NÖ und als Generalsekretärin der ÖAR-Dachorganisation der Behindertenverbände.
Derzeit Leitung der Fachgruppe Soziale Arbeit mit Menschen mit Behinderungen des obds-Berufsverband der Sozialen Arbeit www.sozialarbeit.at .
Selbständig als Supervisorin und Coach mit Schwerpunkten auf Empowerment und Inklusion www.eringard.com
Lehrbeauftragte an der FH Oberösterreich
Engagement für Frauen mit Behinderungen und „Unsichtbare Behinderungen“ (siehe gleichnamige Facebookseite)
Kontakt: [email protected]