Stoma und Sexualität der Frau
Ein Interview mit Prof. Dr. Joachim Hartlapp, Chefarzt der Klinik für Onkologie, Hämatologie und Immunologie in Osnabrück,
aus einer Broschüre der Firma Hollister zum Thema „Liebe und Sexualität nach dem Stoma - Ein Ratgeber für Frauen“
aus einer Broschüre der Firma Hollister zum Thema „Liebe und Sexualität nach dem Stoma - Ein Ratgeber für Frauen“
Herr Prof. Hartlapp, was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten sexuellen Schwierigkeiten von Stomaträgerinnen?
Dass sie sich selber nicht mehr so attraktiv empfinden. Ich glaube, damit haben sowohl Männer als auch Frauen das größte Problem, unabhängig davon, ob sie in einer festen Partnerschaft leben oder einen neuen Partner suchen. In den ersten Monaten, manchmal sogar in den ersten Jahren, finden sie sich so stark verändert, dass sie sich nicht mehr als „schön“ empfinden. Und das macht den allermeisten Patientinnen erhebliche Schwierigkeiten. Es sind also nicht so sehr die körperlichen Veränderungen, sondern vielmehr die Folgen der körperlichen Veränderungen, die die Hauptschwierigkeiten ausmachen.
Ab welchem Zeitpunkt nach der Operation, die ja ein sehr schwerwiegender Eingriff in das Körperbild ist, ist sexueller Verkehr überhaupt wieder denkbar und möglich?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich kenne Patientinnen, die bereits im Krankenhaus, wo die Wundheilung noch nicht abgeschlossen war, schon Verkehr hatten. Doch das stellt sicher eine Ausnahmesituation dar. Der größte Teil nimmt sexuelle Aktivitäten im Zeitraum von vier bis acht Wochen wieder auf, wenn die Wundheilung abgeschlossen ist und die Patienten sich einigermaßen an die veränderte körperliche Situation gewöhnt haben. Meist sind es ja Schmerzen, die erst gar nicht den Wunsch nach sexuellem Verkehr aufkommen lassen oder ihn mehr oder weniger ungenießbar machen.
Was sind die häufigsten Ursachen und Quellen dieser Schmerzen?
Das ist nicht ganz richtig! Wenn die Wundheilung abgeschlossen ist, haben die Patienten unter normalen Bedingungen keine Schmerzen. Beim Verkehr können zwar manchmal Schmerzen auftreten – nur, sexuelle Kontakte sind nicht mit der Kohabitation gleichzusetzen. Schmusen, berühren, streicheln, auch sexuell – das alles wird früher aufgenommen und kann es auch. Viele Partner und die Patienten selbst halten sich allerdings manchmal noch zurück aus der Angst heraus, es könnte weh tun. Wodurch es zu Schmerzen kommt, das ist ganz unterschiedlich. Es ist meist bedingt durch eine Veränderung der anatomischen Gegebenheiten. Wenn längere Zeit kein Verkehr stattgefunden hat, ist die Scheide häufig verändert. Vor allem bei älteren Frauen über 50 und 60 Jahren kann sich die die Scheide, durch die Operation teilweise mit bedingt, etwas verkürzen oder verlagern. Dann können Schmerzen auftreten, wenn man den Verkehr neu aufnimmt. Das gibt sich aber nach dem zweiten oder dritten Mal. Bei Patientinnen, bei denen die Scheide im Rahmen der Operation gerafft werden musste, können Schmerzen auftreten. Sie benutzen dann einen Dilatator. Das kann anfangs unangenehm, vielleicht sogar schmerzhaft sein, dann aber, beim Verkehr selbst, haben sie keine Schmerzen.
Gibt es eigentlich bestimmte Medikamente, die den Schmerzen, vielleicht auch der Lustlosigkeit entgegenwirken und sich besonders bewährt haben?
Zwei Dinge: Die Lustlosigkeit als solche ist mehr psychisch bedingt, auch vor dem Hintergrund, dass man sich nicht mehr so schön findet und sich nicht traut. Das unterdrückt das Lustempfinden. Die Schmerzen kann man vermeiden, verhindern, reduzieren, zunächst durch ein Gleitmittel. Gerade in der ersten Zeit nach der Operation kann es sein, dass die Scheidenfeuchtigkeit beeinträchtigt ist. Es kann dann länger dauern, es kann unangenehm sein, vor allem, wenn der Partner vielleicht etwas stürmisch ist. Aber dieses unangenehme Gefühl lässt sich durch ein einfaches Gleitmittel vermeiden.
Gibt es hinsichtlich des sexuellen Empfindens und der Schmerzen eigentlich signifikante Unterschiede zwischen Kolostomie- und Ileostomie-Patientinnen?
Die Kolostomiepatientinnen sind eher beeinträchtigt als Patientinnen mit einem Ileostoma. Die psychische Beeinträchtigung ist ähnlich, doch bei Ileostoma-Patientinnen ist die direkte sexuelle Beeinträchtigung weniger ausgeprägt. Das liegt natürlich an den weniger einschneidenden anatomischen Veränderungen.
Wie wirkt sich eine Chemotherapie im Bereich des Beckenraumes auf das sexuelle Empfinden der Frau aus?
Im Wesentlichen ist es eine zunächst verzögerte Lubrikatio. Die Schleimhaut ist insgesamt trockener und etwas empfindlicher. Gelegentlich, insbesondere wenn eine aggressive Chemotherapie in Kombination mit einem Kortisonpräparat durchgeführt wurde, ist eine höhere Rate an Pilzinfektionen möglich. Diese Infektionen muss man behandeln, aber sonst, im Laufe der Zeit, klingen sie wieder ab, vor allem, wenn die eigentliche Therapie abgeschlossen ist
Wie steht es mit der Verhütung? Sind für Stomaträgerinnen hier besondere Faktoren zu beachten? Gibt es hier Unterschiede zwischen Kolostomie- und Ileostomie-Patientinnen?
Nein, bei diesen Patientinnen ist eine hormonelle Therapie durchaus möglich, da gibt es keine Einschränkung oder Beeinträchtigung.
Was ist im Fall einer Schwangerschaft – vielleicht auch schon vorher, bei einem vehementen Kinderwunsch einer Stomapatientin – besonders zu beachten? Ist eine Schwangerschaft überhaupt denkbar und wünschenswert?
Denkbar ohne weiteres. Wir betreuen selbst Patientinnen, die mit einem Kolostoma bzw. einem Ileostoma schwanger geworden sind, beide gezielt und gewünscht. In beiden Fällen wurde eine sectio durchgeführt, und beide Kinder sind in ihrer Entwicklung ganz normal. Sie müssen natürlich ganz besonders überwacht werden in einer ganz engen Kooperation mit dem Gynäkologen, Wie überhaupt Patientinnen dieser Art an einer Klinik betreut werden sollten, wo eine solch enge Kooperation möglich ist. Eine Schwangerschaft ist so ohne weiteres möglich.
Herr Prof. Hartlapp, das alles hört sich so an, als würde es für die Stoma-Patientinnen immer noch alle Möglichkeiten geben, sich voll als Frau empfinden zu können und auch, was das Sexuelle angeht, sexuelle Empfindungen zu haben und sie genießen zu können...
Ja, genauso ist das, das kann man bestätigen, vor allem, wenn beide Partner sich an die neue Situation gewöhnt haben.
Eine Sache war mir noch aufgefallen: Sie haben gesagt, Sexualität sei nicht gleich Kohabitation. Das ist eventuell ja sogar eine große Chance für beide Partner, hier vielleicht gelassener und ruhiger an die Sexualität heranzugehen...
Ja, vor allem langsamer!
Eine Frage zum Schluss: Gibt es irgendetwas, was Ihnen bei diesem Thema besonders am Herzen liegt und was Sie den Stoma-Patientinnen auf diesem Wege zurufen möchten?
Mut zum Sex! Sie sind ja im Grunde genau so bedürftig wie ihr Partner, sexuelle Beziehungen aufzunehmen. Und Sie sollten sich wirklich nicht scheuen anzufangen. Wenn die betroffene Frau von sich aus auf ihren Partner zugeht, fällt es ihm auch leichter. Es ist häufig so, dass der Partner Angst hat, er könnte seine Frau in irgendeiner Form verletzen. Dabei findet er sie ja weiter sexuell attraktiv. Es ist eher das Problem der Frau, dass sie sich nicht mehr als so sexuell attraktiv empfindet. Das ist aber nicht so! Darum: Mut anzufangen! Sie muss ihm Mut machen! Dann traut er sich!
Dass sie sich selber nicht mehr so attraktiv empfinden. Ich glaube, damit haben sowohl Männer als auch Frauen das größte Problem, unabhängig davon, ob sie in einer festen Partnerschaft leben oder einen neuen Partner suchen. In den ersten Monaten, manchmal sogar in den ersten Jahren, finden sie sich so stark verändert, dass sie sich nicht mehr als „schön“ empfinden. Und das macht den allermeisten Patientinnen erhebliche Schwierigkeiten. Es sind also nicht so sehr die körperlichen Veränderungen, sondern vielmehr die Folgen der körperlichen Veränderungen, die die Hauptschwierigkeiten ausmachen.
Ab welchem Zeitpunkt nach der Operation, die ja ein sehr schwerwiegender Eingriff in das Körperbild ist, ist sexueller Verkehr überhaupt wieder denkbar und möglich?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich kenne Patientinnen, die bereits im Krankenhaus, wo die Wundheilung noch nicht abgeschlossen war, schon Verkehr hatten. Doch das stellt sicher eine Ausnahmesituation dar. Der größte Teil nimmt sexuelle Aktivitäten im Zeitraum von vier bis acht Wochen wieder auf, wenn die Wundheilung abgeschlossen ist und die Patienten sich einigermaßen an die veränderte körperliche Situation gewöhnt haben. Meist sind es ja Schmerzen, die erst gar nicht den Wunsch nach sexuellem Verkehr aufkommen lassen oder ihn mehr oder weniger ungenießbar machen.
Was sind die häufigsten Ursachen und Quellen dieser Schmerzen?
Das ist nicht ganz richtig! Wenn die Wundheilung abgeschlossen ist, haben die Patienten unter normalen Bedingungen keine Schmerzen. Beim Verkehr können zwar manchmal Schmerzen auftreten – nur, sexuelle Kontakte sind nicht mit der Kohabitation gleichzusetzen. Schmusen, berühren, streicheln, auch sexuell – das alles wird früher aufgenommen und kann es auch. Viele Partner und die Patienten selbst halten sich allerdings manchmal noch zurück aus der Angst heraus, es könnte weh tun. Wodurch es zu Schmerzen kommt, das ist ganz unterschiedlich. Es ist meist bedingt durch eine Veränderung der anatomischen Gegebenheiten. Wenn längere Zeit kein Verkehr stattgefunden hat, ist die Scheide häufig verändert. Vor allem bei älteren Frauen über 50 und 60 Jahren kann sich die die Scheide, durch die Operation teilweise mit bedingt, etwas verkürzen oder verlagern. Dann können Schmerzen auftreten, wenn man den Verkehr neu aufnimmt. Das gibt sich aber nach dem zweiten oder dritten Mal. Bei Patientinnen, bei denen die Scheide im Rahmen der Operation gerafft werden musste, können Schmerzen auftreten. Sie benutzen dann einen Dilatator. Das kann anfangs unangenehm, vielleicht sogar schmerzhaft sein, dann aber, beim Verkehr selbst, haben sie keine Schmerzen.
Gibt es eigentlich bestimmte Medikamente, die den Schmerzen, vielleicht auch der Lustlosigkeit entgegenwirken und sich besonders bewährt haben?
Zwei Dinge: Die Lustlosigkeit als solche ist mehr psychisch bedingt, auch vor dem Hintergrund, dass man sich nicht mehr so schön findet und sich nicht traut. Das unterdrückt das Lustempfinden. Die Schmerzen kann man vermeiden, verhindern, reduzieren, zunächst durch ein Gleitmittel. Gerade in der ersten Zeit nach der Operation kann es sein, dass die Scheidenfeuchtigkeit beeinträchtigt ist. Es kann dann länger dauern, es kann unangenehm sein, vor allem, wenn der Partner vielleicht etwas stürmisch ist. Aber dieses unangenehme Gefühl lässt sich durch ein einfaches Gleitmittel vermeiden.
Gibt es hinsichtlich des sexuellen Empfindens und der Schmerzen eigentlich signifikante Unterschiede zwischen Kolostomie- und Ileostomie-Patientinnen?
Die Kolostomiepatientinnen sind eher beeinträchtigt als Patientinnen mit einem Ileostoma. Die psychische Beeinträchtigung ist ähnlich, doch bei Ileostoma-Patientinnen ist die direkte sexuelle Beeinträchtigung weniger ausgeprägt. Das liegt natürlich an den weniger einschneidenden anatomischen Veränderungen.
Wie wirkt sich eine Chemotherapie im Bereich des Beckenraumes auf das sexuelle Empfinden der Frau aus?
Im Wesentlichen ist es eine zunächst verzögerte Lubrikatio. Die Schleimhaut ist insgesamt trockener und etwas empfindlicher. Gelegentlich, insbesondere wenn eine aggressive Chemotherapie in Kombination mit einem Kortisonpräparat durchgeführt wurde, ist eine höhere Rate an Pilzinfektionen möglich. Diese Infektionen muss man behandeln, aber sonst, im Laufe der Zeit, klingen sie wieder ab, vor allem, wenn die eigentliche Therapie abgeschlossen ist
Wie steht es mit der Verhütung? Sind für Stomaträgerinnen hier besondere Faktoren zu beachten? Gibt es hier Unterschiede zwischen Kolostomie- und Ileostomie-Patientinnen?
Nein, bei diesen Patientinnen ist eine hormonelle Therapie durchaus möglich, da gibt es keine Einschränkung oder Beeinträchtigung.
Was ist im Fall einer Schwangerschaft – vielleicht auch schon vorher, bei einem vehementen Kinderwunsch einer Stomapatientin – besonders zu beachten? Ist eine Schwangerschaft überhaupt denkbar und wünschenswert?
Denkbar ohne weiteres. Wir betreuen selbst Patientinnen, die mit einem Kolostoma bzw. einem Ileostoma schwanger geworden sind, beide gezielt und gewünscht. In beiden Fällen wurde eine sectio durchgeführt, und beide Kinder sind in ihrer Entwicklung ganz normal. Sie müssen natürlich ganz besonders überwacht werden in einer ganz engen Kooperation mit dem Gynäkologen, Wie überhaupt Patientinnen dieser Art an einer Klinik betreut werden sollten, wo eine solch enge Kooperation möglich ist. Eine Schwangerschaft ist so ohne weiteres möglich.
Herr Prof. Hartlapp, das alles hört sich so an, als würde es für die Stoma-Patientinnen immer noch alle Möglichkeiten geben, sich voll als Frau empfinden zu können und auch, was das Sexuelle angeht, sexuelle Empfindungen zu haben und sie genießen zu können...
Ja, genauso ist das, das kann man bestätigen, vor allem, wenn beide Partner sich an die neue Situation gewöhnt haben.
Eine Sache war mir noch aufgefallen: Sie haben gesagt, Sexualität sei nicht gleich Kohabitation. Das ist eventuell ja sogar eine große Chance für beide Partner, hier vielleicht gelassener und ruhiger an die Sexualität heranzugehen...
Ja, vor allem langsamer!
Eine Frage zum Schluss: Gibt es irgendetwas, was Ihnen bei diesem Thema besonders am Herzen liegt und was Sie den Stoma-Patientinnen auf diesem Wege zurufen möchten?
Mut zum Sex! Sie sind ja im Grunde genau so bedürftig wie ihr Partner, sexuelle Beziehungen aufzunehmen. Und Sie sollten sich wirklich nicht scheuen anzufangen. Wenn die betroffene Frau von sich aus auf ihren Partner zugeht, fällt es ihm auch leichter. Es ist häufig so, dass der Partner Angst hat, er könnte seine Frau in irgendeiner Form verletzen. Dabei findet er sie ja weiter sexuell attraktiv. Es ist eher das Problem der Frau, dass sie sich nicht mehr als so sexuell attraktiv empfindet. Das ist aber nicht so! Darum: Mut anzufangen! Sie muss ihm Mut machen! Dann traut er sich!